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Zeitleiste
Besuch des Bundesrealgymnasiums für Mädchen Villach
Abiturientenkurs der Lehrerbildungsanstalt Innsbruck
Stipendium an der University of Kansas, Lawrence Kansas, USA
Volksschullehrerin und Hauptschullehrerin, Bezirk Villach
Vorsitzende des Landesfrauenvorstandes der SPÖ Kärnten
Mitglied des SPÖ - Bundesfrauenvorstandes
Bundesrätin, Abgeordnete zum Nationalrat; 1987 Vorsitzende des Bundesrates
Gründung des ersten Kärntner Frauenhauses
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Politische Biographie
Familiäre und gesellschaftliche Rahmenbedingungen beeinflussten meine persönlichen Möglichkeiten und Entscheidungen.
Bei Kriegsende war ich elf Jahre alt. Die letzten eineinhalb Jahre wohnten wir – meine Mutter, meine Schwester, mein Bruder und ich – in Sattendorf am Ossiacher See. Wegen der Bombenangriffe auf Villach waren wir „umquartiert“. Wir hatten in einer Sommer-Fremdenpension zwei kleine Zimmer. Als die Engländer Anfang Mai mit ihren Militärautos durch Sattendorf fuhren, wussten wir, dass der Krieg endlich aus ist. Zwei große Sorgen plagten meine Mutter: die große Sorge, dass mein Vater lebend aus dem Krieg zurückkehrt – er war als Soldat in Jugoslawien; und die Sorge, dass wir in unsere Wohnung in Villach zurückkehren können. Man wollte uns in einem alten Hotel am See Zimmer zuweisen. Mit viel Mühe gelang es meiner Mutter mit uns Kindern in die Wohnung, die nicht zerbombt war, zurückzukehren.
Unmittelbar nach dem Krieg war die Versorgung mit Lebensmitteln in der Stadt schlecht. Ich erinnere mich, dass meine Mutter mehrere Tage „Not-Knödel“ aus Mehl, Kartoffeln und Wasser machte. Sie schmeckten nicht gut.
Meine Mutter bekam von der Fürsorge 20 Schilling pro Kind und die Miete. Sie hat mit Aufräumen einer Arztpraxis und anderen Arbeiten unser Überleben gesichert. Wir hatten keine besonderen Schätze wie Teppiche usw., die wir bei Bauern gegen Lebensmittel eintauschen konnten. Wir verkauften die Zöpfe von mir und meiner Schwester und tauschten unsere Babypuppe gegen Lebensmittel ein.
Einmal im Spätherbst 1945 bin ich mit der Bahn zu unseren Verwandten ins Görtschitztal gefahren. Ich hatte einen großen Rucksack mit. Bei der Heimfahrt war er mit zwei Liter Milch, zwei Kilo Brot und einem Stück Speck gefüllt. Schwarzhandel war verboten. Ich hatte Angst vor einer Kontrolle, aber es ging alles gut. Als ich beim Umsteigen in St. Veit auf die damals sehr hohen Wagonstufen stieg, wäre ich beinahe durch das Gewicht des Rucksacks nach hinten gestürzt. Ich war groß gewachsen, aber unterernährt. Der Schrecken ist mir heute noch in Erinnerung.
Die ersten Jahre nach dem Krieg war die Ernährungslage schlecht. In der Schule gab es in der Pause die „Ausspeisung“: Haferflockenbrei oder eine Suppe. Eine Freundin meiner Mutter hat uns in Sattendorf ein Stück eines Ackers zur Verfügung gestellt. Meine Mutter konnte dort Erdäpfel, Gurken und Stangenbohnen anbauen. Nicht nur Lebensmittel auch Kleidung war Mangelware. Daher gab es nicht nur Lebensmittelkarten, sondern auch Bezugsscheine, zum Beispiel für Schuhe. Mit vierzehn fünfzehn Jahren hatte ich für den Winter ein Kleid aus einem alten Militärmantel. Trotzdem hatten wir Kinder auch viel Spaß. Wir hatten einen großen Hof mit einer schönen Wiese als Spielplatz. Heute ist alles eng mit Wohnblöcken bebaut.
Im Spätherbst 1945 begann am Realgymnasium Villach wieder der Unterricht. Wir waren 56 Mädchen in der ersten Klasse. In der vierten Klasse waren wir nur noch 25 und ab der fünften Klasse 13. 1953 gab es 13 Maturantinnen einer Allgemeinbildenden Höheren Schule; dabei war Villach damals die einzige Allgemeinbildende Höhere Schule für Mädchen für die Bezirke Villach, Hermagor und Feldkirchen. Damals musste für den Besuch einer höheren Schule Schulgeld gezahlt werden. Für finanziell schlecht gestellt Familien gab es Ermäßigungen. Schulbücher habe ich immer billig antiquarisch gekauft. Ab der fünften Klasse, also ab fünfzehneinhalb Jahren habe ich durch Nachhilfestunden selbst Geld verdient.
Mein Vater war nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft im Dezember 1946 wieder bei der Post beschäftigt. Mein Mutter hatte die Handelsschule besucht, mein Vater nur die Volksschule. Er machte verschiedene Dienstprüfungen und später noch die Beamtenmatura. Sein Allgemeinwissen besonders über Geschichte und Politik war größer als das mancher Maturanten. Er war schon vor dem Krieg Sozialdemokrat und nach dem Krieg langjähriger Gewerkschaftsfunktionär. Meine Mutter war einer politischen Arbeit gegenüber skeptisch eingestellt; sie war der Meinung, politisches Engagement bringt im Regelfall Nachteile mit sich.
Ich selbst hatte zunächst durch den Unterricht im Realgymnasium eine diffuse Abneigung gegen politische Aktivitäten und zugleich eine große Wissenschaftsgläubigkeit entwickelt. In der Oberstufe war ich immer gewählte Klassensprecherin. Wäre es finanziell möglich gewesen, hätte ich nach der Matura gerne Mathematik und Physik studiert. 1953/54 absolvierte ich einen einjährigen Abiturientenlehrgang an der Lehrerbildungsanstalt in Innsbruck und wurde Volksschullehrerin.
Mitte der 50er Jahre gab es eine ähnlich hohe Arbeitslosigkeit wie heute. Ich wurde erst im Frühjahr 1955 in Arnoldstein als Lehrerin angestellt. Leider habe ich mich dort nach zwei Tagen mit Diphtherie angesteckt und musste ins Krankenhaus. Danach war ich als Vertretung in verschiedenen Gemeinden im Bezirk Villach Land als Volksschullehrerin tätig. Die Prüfung zur Hauptschullehrerin bereitete ich wie damals üblich im Selbststudium vor. Ich legte die Prüfungen für Englisch, Mathematik und Stenografie ab. In der Folge unterrichtete ich an Hauptschulen in Villach.
Eines Tages machte mich meine Mutter auf die Meldung in der „Neuen Zeit“ aufmerksam, dass es ein Auswahlgespräch für Fulbright-Stipendien für die USA gibt. Ich nahm daran teil und bekam für 1957/58 ein Stipendium an der University of Kansas in Lawrence.
Die Vereinigten Staaten waren damals für mich das Land der Freiheit. Der Aufenthalt war für mich eine finanziell sorgenfreie, interessante Zeit. Manches erstaunte mich: etwa die Tendenz zur Konformität; so mussten im Studentinnenheim die Rollos in allen Zimmern genau zwei Drittel heruntergelassen sein. Auch die Sucht nach Superlativen – wie die Ankündigung „the biggest little city of the world“, also die größte kleine Stadt der Welt.
Überraschend und positiv erlebte ich die Bereitschaft vieler Menschen, immer wieder einen neuen Anfang zu wagen, sei es durch Berufswechsel oder durch Ortswechsel.
Nach meiner Rückkehr nach Österreich arbeitete ich als Hauptschullehrerin in Villach. 1963 begann ich in Wien zu studieren, Psychologie und Völkerkunde, später auch Soziologie. Ohne Feministin gewesen zu sein, war mir klar, dass ein Mathematik- und Physikstudium bedeuten würde, statt in der Hauptschule in der Höheren Schule zu unterrichten; als Frau und 10 Jahre älter als die Regelstudierenden hatte ich keine realistischen Chancen eine andere berufliche Beschäftigung zu bekommen, zum Beispiel in der Forschung. Ich war darauf angewiesen, möglichst bald Geld für meinen Unterhalt zu verdienen. Im Rahmen der Umstrukturierungen im Bildungsbereich versprach die Kombination Pflichtschullehrerin und Psychologie interessante Möglichkeiten in der Schulpsychologie oder der neuen Lehrerbildung an der Pädagogischen Akademie.
Das Studium finanzierte ich mit Ersparnissen und Ferialarbeit. Ich bekam einen Kärntner Heimplatz in einem Studentinnenheim der Wirtschaftshilfe der Arbeiterstudenten im 3. Bezirk. Meine Eltern haben mich durch Esspakete regelmäßig unterstützt. Die letzten Jahre übernahm ich in einem anderen WIHAST-Heim Verwaltungsaufgaben im Rahmen der studentischen Selbstverwaltung und musste für mein Zimmer keine Miete zahlen. Meinen Mann – einen Grazer – der auch in einem WIHAST-Heim wohnte, habe ich im Rahmen dieser Tätigkeit kennen gelernt. 1969 nach Abschluss unserer Studien heirateten wir und ließen uns in Klagenfurt nieder.
Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre gab es politisch eine Aufbruchstimmung, die sich auch in der pädagogischen und psychologischen Fachliteratur niederschlug. Neben dem traditionellen Angebot an der Universität las ich viele Texte, die zum Beispiel Begabung als abhängig von Lernmöglichkeiten ins Zentrum rückten und sich gegen ständische, erbtheoretisch begründete Bildungsstrukturen richteten. Meine frühere Wissenschaftsgläubigkeit wurde restlos erschüttert, als ich erfahren musste, dass die meisten Lehrenden an der Universität eine kritische Diskussion mit allen Mitteln verhinderten. Politisiert haben mich auch meine Erfahrungen am Abend der Demonstration gegen Prof. Borodajkiewicz, der in seinen Lehrveranstaltungen an der Hochschule für Welthandel offen nationalsozialistisches Gedankengut verbreitete. Ich hatte eine Abendlehrveranstaltung besucht; als ich zur Straßenbahn am Jonas-Reindl ging, sah ich aufgeregte Gruppen von Studenten. Ich hörte einen Burschen erzählen, er habe gesehen, wie in der Kärntner Straße „Linke“ mit Totschlägern zwei Menschen getötet hätten. Außerdem sah ich wie vor dem Hauptgebäude vor der Universität Bücher verbrannt wurden. Am nächsten Tag las ich von Letzterem nichts in den Zeitungen. Dass der Tote ein linker Demonstrant war – der Pensionist Kirchweger – dürfte politisch Interessierten bekannt sein.
Neben meiner beruflichen Tätigkeit als Professorin für Pädagogische Soziologie an der Pädagogischen Akademie in Klagenfurt war ich als Landeskoordinatorin für Schulversuche in Kärnten tätig. Außerdem hielt ich oft Referate zu bildungspolitischen Fragen bei den Kinderfreunden, den Gewerkschaftsfrauen und im Sozialistischen Lehrerverein. Bei den Kinderfreunden, dem Sozialistischen Lehrerverein und in der Gewerkschaft war ich seit Beginn meiner Berufstätigkeit Mitglied. Mein Mann warb mich als Parteimitglied und, da er für die SPÖ-Frauenorganisation Seminare hielt, vermittelte er mich auch zur Frauenorganisation. Ich wurde schließlich als Bildungsexpertin ins Landesfrauenkomitee - so hieß damals der Landesfrauenvorstand – kooptiert. 1979 stand ein Wechsel im Vorsitz bevor. Käthe Kainz aus St. Veit ging aus Gesundheits- und Altersgründen in Pension. Die Bezirksorganisationen Villach und Klagenfurt konkurrierten mit ihren Vorsitzenden Waltraud Miskiewicz und Lotte Spinka um die Landesvorsitzende. Es gab keine Einigung. Die Klagenfurterinnen nominierten schließlich ihre Landtagsabgeordnete Gerti Mischitz und gewannen die Unterstützung der ÖGB-Frauen; sie wollten das Bundesratsmandat, das traditionell in Kärnten die Landesvorsitzende innehatte, mit Zustimmung der Männer den ÖGB-Frauen überlassen. Die junge aufgeschlossene Bezirksvorsitzende von St. Veit, Susanne Kövari, fragte mich nach einem Treffen, bei dem ein paar Frauen die Anträge für die bevorstehende Landeskonferenz formulierten, ob ich nicht als Landesvorsitzende kandidieren wollte. Ich sagte nach drei Tagen Bedenkzeit zu, obwohl ich mir keine Chancen ausrechnete. Ich hatte nichts zu verlieren, da ich keine Funktion in der Frauenorganisation bekleidete. In der Wahlkommission wurde meine Kandidatur niedergestimmt. Susanne Kövari setzte mit anderen Bezirksvorsitzenden meine Kandidatur ad hoc bei der Landeskonferenz durch. Überraschend gewann ich die Wahl mit Zweidrittelmehrheit. Beigetragen haben die gegen mich von Klagenfurterinnen vorgebrachten Angriffe, ich hätte noch nie einen Finger für die Partei gerührt. Mehrere Frauen, die mich von den verschiedensten Veranstaltungen her kannten, nahmen dagegen offen Stellung. So wurde ich als Quereinsteigerin im April 1979 Landesvorsitzende der Kärntner SPÖ-Frauen. Im Juni wurde ich für den Bundesrat nominiert. Nach zehn Jahren Professorin an der Pädagogischen Akademie wurde ich unerwartet Berufspolitikerin.
Bereits an der Pädagogischen Akademie hatte ich erlebt, dass die Männer meiner Generation eine Frau, die ganz selbstverständlich erwartete, gleich ernst genommen zu werden wie die männlichen Kollegen, schwer mit ihrem Selbstverständnis vereinbaren konnten. Der damalige Parteivorsitzende sagte einmal zu mir. „Wir Männer müssen erst einmal verkraften, dass da Frauen in die Partei kommen, die Ideen und Vorschläge in die Partei einbringen und diese auch umsetzen wollen, die Mandate für die Frauen fordern und ein eigenes Geld für die Frauenorganisation.“
Nach einer Bestandsaufnahme habe ich verschiedene Schwerpunkte für meine politische Arbeit gesetzt: Es musste die Situation der Frauen innerhalb der Gesamtorganisation verbessert werden. Das betraf unter anderem das Parteistatut. Bestens unterstützt von meinen Landesfrauensekretärinnen, zuerst Dorli Thullmann und später Maria Zelloth, erreichten wir zunächst, dass zumindest eine Frau in jedem örtlichen Parteigremium vertreten sein musste, meist war es die Ortsvorsitzende der SPÖ-Frauen. Danach führten wir den Kampf um die 25-Prozent-Quote gemeinsam mit der Bundesorganisation der SPÖ-Frauen. Wie gering die Unterstützung seitens der Männer war, zeigt der Ausspruch eines führenden Genossen gegenüber den widerstrebenden Männern am Bundesparteitag: „Stimmt ruhig zu, wir machen ohnehin was wir wollen."
Wir versuchten, die Männer für unsere Anliegen auch dadurch zu sensibilisieren, indem wir bei Großkonferenzen eine Parodie auf Sitzungen reiner Männergremien bei einer Listenerstellung spielten. Wir brachten die von Mitarbeiterinnen beobachteten und gesammelten Argumente von Männern mit umgekehrten Vorzeichen gegen die Männer vor. Manche führende Funktionäre fanden dies gar nicht lustig.
Ein zweiter Schwerpunkt war die Mobilisierung von Frauen und das Gewinnen junger Mitstreiterinnen. Dazu gehörte einerseits Selbstbewusstsein zu vermitteln, zum Beispiel durch die von Frauenstaatssekretärin Dohnal angebotenen Selbstbewusstseinsseminare aber auch durch konkrete Hilfen, etwa Texte für kurze politische Aussagen im neu gegründeten Informationsblatt „Durchblick“ für örtliche Veranstaltungen oder die Ermunterung, Leserbriefe zu schreiben. Andererseits ging es darum, mit den Frauen wichtige politische Inhalte zu bearbeiten. Es gab Seminare zu Fragen des Pensionssystems, zu Fragen der Familienförderung, bis hin zu wichtigen Themen für Gemeinderätinnen wie die Allgemeine Gemeindeordnung, die Bauordnung, die Voraussetzungen für die Errichtung eines Kindergartens, usw. Außerdem organisierten wir Referentinnen und Referenten zu verschiedenen Themen. Ziel war, nach Möglichkeit in den Ortsorganisationen eine kontinuierliche politische Arbeit durch Veranstaltungen etwa alle zwei Monate zu erreichen.
Ein weiterer wichtiger Arbeitsbereich lag im Parlament. Pensionsfragen und Fragen der Familienförderung standen im Vordergrund. Ich wählte diese Bereiche, da im Bildungsbereich mehrere Frauen gut eingearbeitet waren, nicht aber in diesen Bereichen, die außerdem für die Existenzsicherung von Frauen und Kindern sehr entscheidend sind. 1989 fasste ich die Ergebnisse des Arbeitskreises Alterssicherung der Sozialistischen Frauen Österreichs in dem Heft „Die Zukunft der Alterssicherung“ zusammen. Bereits 1983 hatte ich auf Anregung von Johanna Dohnal für die Reihe Politische Bildung des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst das Heft „Die Frauen in der Gesellschaft“ verfasst. Für die Zeitung „Die Frau“ schrieb ich immer wieder aktuelle Kommentare und regelmäßig machte ich allgemeine Pressearbeit.
Als ich 1987 Vorsitzende des Bundesrates wurde, organisierte ich die erste Enquete des Bundesrates zum Thema „Einkommen und Lebensverhältnisse von Frauen“. Das Thema „Pensionssystem von Frauen“, das ich ursprünglich wählen wollte, scheiterte am Widerstand einflussreicher Männer aller Parteien. Während der Vorsitzzeit bereitete ich auch die Kann-Bestimmung für weibliche Funktionsbezeichnungen in der Verfassung vor. Dies hat übrigens zu den ärgsten innerparteilichen Aggressionen gegen mich geführt. Wirksame Unterstützung meiner parlamentarischen Arbeit habe ich als Mitglied des Milchuntersuchungsausschusses erfahren.
Die zwölf Jahre „in der Politik“ waren interessant, Horizont erweiternd, sehr arbeitsreich und oft auch belastend. Letzteres besonders, wenn die politische Auseinandersetzung nicht nur mit dem politischen Gegner, sondern innerhalb der Partei oder gar innerhalb der Frauenorganisation zu führen war. Ein Bespiel dafür war die Gründung des ersten Kärntner Frauenhauses 1984. Die Klagenfurter SPÖ-Frauen waren gegen ein überparteiliches Frauenhaus und versuchten die Männer in der Partei, die in der Landesregierung für die Finanzierung sorgen mussten, für ihren Plan zu gewinnen. Das bedeutete unnötige Bindung von Kraft und Zeit. Die befriedigendste Arbeit war für mich der Kontakt und die Diskussionen mit den Mitarbeiterinnen in den Bezirksfrauenkomitees und bei den vielen Veranstaltungen in den Gemeinden. Den vielen engagierten Frauen danke ich, weil sie mir zeigten, dass politische Arbeit sich lohnt.
Auch nach dem Ausscheiden aus allen politischen Funktionen war ich weiterhin politisch aktiv. Für den Zugang zu aktuellen Informationen war entscheidend, dass ich von den Frauenministerinnen Johanna Dohnal, Helga Konrad und Barbara Prammer als Expertin in den SPÖ-Bundesfrauenvorstand kooptiert wurde.
Meinem Verständnis als Sozialwissenschaftlerin folgend bemühte ich mich, aktuelle Fragen der Geschlechterverhältnisse mit wissenschaftlichen Ergebnissen in Verbindung zu bringen. Ich erkannte, dass Regelungen für die gesellschaftliche Makroebene, vor allem der Wirtschaftswissenschaft und der Rechtswissenschaft sowie statistische Messeinheiten politisch besonders bedeutsam für ökonomische und geschlechtsbezogene Ungleichheit sind. Meine Analysen schlugen sich in Publikationen und Referaten nieder.
Ich veröffentlichte zwei Sammelbände meiner zum Großteil vorher in verschiedenen Zeitschriften erschienen Artikel; 1995 erschien „`Frauenpolitik`- Geschlechterverhältnisse. Wissenschaftliche Grenzziehungen“ als Band 29 im Rahmen der Klagenfurter Beiträge zur bildungswissenschaftlichen Forschung mit dem erläuternden Hinweis: Zur Bedeutung wissenschaftlicher Ordnungssysteme für die Herausbildung gesellschaftlicher Strukturen und Institutionen sowie zur Rolle sozialwissenschaftlicher Experten für die Aufrechterhaltung von undemokratischen Geschlechterverhältnissen und sozio-ökonomischen Ungleichheiten.
2007 folgte der Sammelband „Sozialstaat, neoliberales Wirtschaften und die Existenzsicherung von Frauen“ im Milena Verlag. Etwa die Hälfte des Betrages, der für die Zusicherung der Veröffentlichung erforderlich war, konnte ich durch Förderungen verschiedener Stellen aufbringen, die andere Hälfte (2000 €) musste ich bezahlen. 2014 brachte ich „Politik und Wissenschaft. Öffentliche Meinungsbildung. Persönliche Erfahrungen“ im Eigenverlag heraus. Dieses Buch gibt einen Überblick über meine politischen und wissenschaftlichen Tätigkeiten. Diese umfassen veröffentlichte und nicht angenommene Leserbriefe, Kommentare und wissenschaftliche Analysen, meine Erfahrungen im Parlament und als Vorsitzende der Kärntner SPÖ-Frauen sowie einen Bericht über meine Tätigkeiten nach dem Ausscheiden aus der Politik.
Die politischen Funktionen ließen mir wenig Zeit private Kontakte zu pflegen. Abgesehen von Geburtstagsfeiern sorgten meine Schwester Renate und mein Bruder Helmut durch bis heute jährlich wiederkehrende Fixpunkte wie den Familiengrill, die gemeinsame Osterjause und das Weihnachtessen für regelmäßige familiäre Kontakte.